Reto Branschi, Direktor/CEO im Interview

Harte Landung

«Uns war wichtig, dass es durch die Veranstaltungen keine neuen Ansteckungen gibt.»

Reto Branschi, Direktor/CEO

Von einem Tag auf den anderen fielen die Umsätze des vermeintlichen Rekordjahres wegen Covid-19 auf null. Welche Auswirkungen das hat und mit welchen Leuchtturmprojekten die Destination der Krise trotzt, erzählt Reto Branschi, Direktor/CEO, im Interview.

Reto Branschi, im Kurpark endete kürzlich die zweite Ausgabe des Swiss Epic Graubünden. Dein Fazit?
Es war ein Sportereignis mit positiven Rückmeldungen. Die Bike-Region Graubünden präsentierte sich im besten Licht. Die Werbewirkung für den Mountainbike-Sport und Graubünden war riesig.

Unter den Teilnehmern war auch Nino Schurter, Olympiasieger und achtfacher Weltmeister. Entsprechend hoch war das Medienecho. Welche Rückmeldungen hast du erhalten?
Die Rückmeldungen der Teilnehmer waren fantastisch. Besonders von Athleten, die zum ersten Mal am Swiss Epic teilgenommen haben. Sie lobten die Etappen durch die Bündner Berglandschaft in den höchsten Tönen – und wollen auch bei der nächsten Ausgabe unbedingt wieder dabei sein. In einem zweiten Schritt haben wir Verbesserungsvorschläge der Topathleten erhalten. Darüber bin ich sehr dankbar, denn nur so können wir uns weiterentwickeln.

Davos Klosters hat sich in Covid-19-Zeiten für Veranstaltungen stark gemacht. So wurde der Swissalpine Davos oder das Swiss Epic Graubünden mit einem Schutzkonzept durchgeführt. Warst du nervös, ob alles wie geplant verläuft?
Ich war sehr angespannt, denn die Gesundheit unserer Gäste ist unser oberstes Gebot. Uns war wichtig, dass es durch die Veranstaltungen keine neuen Ansteckungen gibt. Deshalb umfasste unser Schutzkonzept weit mehr Punkte als die Vorgaben des Bundesrates. Eine Maskenpflicht im Startgelände sowie für alle Helfer war obligatorisch. Ich bin überzeugt, dass diese Massnahmen richtig waren. Alle Schutzkonzeptvorgaben wurden diszipliniert umgesetzt. Die Freude der Athleten, dass sie wieder am Start stehen durften, war sehr berührend.

Eine Signalwirkung für kommende Events?
Davos Klosters konnte sich als Eventdestination positionieren. Trotzdem müssen wir vorsichtig bleiben, kommende Veranstaltungen mit derselben Genauigkeit organisieren und die Schutzkonzepte zwingend umsetzen.

«Mit der neuesten Frischluft-
Lüftungstechnik haben wir in
Covid-19-Zeiten einen Wettbewerbsvorteil.»

Neben grossen Sportanlässen fand das 50. World Economic Forum statt. Die Gäste waren so prominent vertreten wie selten. Was ist dein Fazit zur Jubiläumsausgabe?
Ein sehr positives. Ich war sehr überrascht, wie ruhig das Jubiläums-WEF mit all den hochkarätigen Gästen abgelaufen ist. Sei es beim Verkehr durch das Dorf oder inhouse in den Hotels – es hat alles reibungslos funktioniert. Das spricht für die Organisation und die Disziplin der Teilnehmenden.

Kürzlich wurde das WEF 2021 aufgrund von COVID-19 abgesagt. Was bedeutet das für Davos?
Die Absage hinterlässt in Davos einen grossen Schaden. Man muss diese Absage differenziert betrachten. Zum einen kann es eine Chance sein, weil der Grosskunde WEF wieder mehr Wertschätzung erhält. Für den Tourismus hingegen gibt es unschöne Auswirkungen. Wir müssen dabei unterscheiden zwischen Beherbergern und Beherbergern mit Gastronomie und Seminarräumen. Für Letztere gibt es eine enorme Einbusse. Für diejenigen, die nur Beherberger waren, fallen fünf Tage weg in einer Saison, die 120 Tage dauert. Ich mache mir im Moment mehr Sorgen um die ganze Saison als wegen dieser fünf Tage.

Bleiben wir beim Stichwort Wintersaison: Mit welchen Gefühlen schaust du auf die Saison 2020/21?
Mit sehr gemischten. Ich kann die Situation nur schwer abschätzen und erahnen, wie sich die Zahlen entwickeln, welche Massnahmen getroffen werden und ob es zu einem weiteren Lockdown kommt. Wenn die Bergbahnen wieder schliessen müssten, wäre die Ausgangslage enorm schwierig. 

Das WEF ist nicht der erste Kongress, der abgesagt oder verschoben werden musste. Auch der International Diagnostic Course Davos (IDKD) musste verschoben und jetzt sogar abgesagt werden. Ist der Kongressort Davos in Gefahr?
Nein. Für uns entstehen Chancen, da wir mit dem Kongresszentrum über eine hervorragende Infrastruktur mit hohen Räumen verfügen. Mit der neuesten Frischluft-Lüftungstechnik haben wir in Covid-19-Zeiten einen klaren Wettbewerbsvorteil. Zudem suchen Kongressorganisatoren nach Standorten ausserhalb der Städte, um Dichtestress zu umgehen. Lange wurden wir kritisiert, dass wir viele Medizinkongresse in Davos angenommen haben und besser auf Wirtschaftskongresse gesetzt hätten. Jetzt sind alle Wirtschaftskongresse bis 2021 abgesagt. Die Medizinkongresse hingegen werden wenn möglich durchgeführt.  

«Wir sind mit einem
blauen Auge davongekommen.
Einem dunkelblauen.»

Freitag, der 13. März 2020, ist ein Datum, das wir nicht so schnell vergessen werden. Es ist der Tag, an dem bekannt wurde, dass die Wintersaison von einem Tag auf den anderen beendet ist. Wie hast du diesen Tag erlebt?
Die Zeichen waren da, dass der Bundesrat eine Entscheidung treffen musste. Dass der Lockdown uns so knallhart trifft und das ganze Leben stillsteht, hätte ich in keinem Szenario für möglich gehalten. Es war, wie wenn man mit einem Auto auf eine Mauer zufährt und nicht mehr bremsen kann. Von einem Tag auf den anderen fielen wir ungebremst, von einem absoluten Rekordjahr auf null – das war unglaublich hart.

Letztes Jahr konnten wir seit Langem wieder schwarze Zahlen in unserer Bilanz präsentieren. Wie sieht es heute aus?
Da wir 80 % des Umsatzes bereits erarbeitet hatten und wir in einer absoluten Rekordsaison unterwegs waren, liegt der Verlust «nur» bei CHF 500 000. Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Einem dunkelblauen.

Blicken wir auf die kommende Saison. Es sind viele Fragen ungeklärt. Après-Ski wird in Ischgl nicht durchgeführt. Wie stehst du diesem Thema gegenüber?
Durch die unsichere Lage wissen wir nicht, was uns bevorsteht. Wenn die Covid-19-Fallzahlen steigen, braucht es Entscheidungen, die nicht kalkulierbar sind. Müssen die Bergbahnen schliessen oder lässt man sie offen? Kommt es zu einem weiteren Lockdown, wollen wir uns alle die Folgen nicht ausmalen. Es ist alles ungewiss. Die vielen Fragen können im Moment nicht beantwortet werden. Wir hoffen, dass wir uns irgendwie durch diese Situation schlängeln und wie bereits in der Sommersaison mutige Lösungen finden.

Du bist seit eh und je im Tourismus tätig. Hast du nur im Ansatz bereits eine ähnliche Situation erlebt wie die jetzige Coronakrise?
Persönlich habe ich keine solche Krise erlebt. Aus Erzählungen habe ich gehört, dass unsere Destination eine ähnliche Krise im Ersten und Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Damals ist der Tourismus ebenfalls komplett zusammengebrochen. 

«Warteschlangen sind bei uns nie so lang,
da wir mehr Berge zur Auswahl
haben als andere Destinationen.»

Das Virus kam aus China und die Coronawelle sah man auf uns zurollen. Ab welchem Moment wusstest du, dass eine grosse Krise im Anmarsch ist, die uns hart trifft?
Erste Anzeichen, dass es ganz hart wird, gab es für mich höchstens zwei Wochen vor dem Lockdown. Man hörte, wie unsere Nachbarländer über Grenzschliessungen dachten. Selbstverständlich haben mich die Bilder und Berichte aus Bergamo betroffen gemacht. Und mir gezeigt, dass die Krise näher ist und grösser wird als jemals erwartet.

Davos Klosters hat einen Vorteil: Gäste, die dem Dichtestress entfliehen wollen, haben die Möglichkeit, unsere Seitentäler zu besuchen. Ist das ein Vorteil, der uns in dieser Zeit besonders in die Karten spielt?
Auf jeden Fall. Und wir haben eine weiteres Ass im Ärmel: Die Destination Davos Klosters bietet gleich sechs Skigebiete. Das heisst: Wir können somit dem Dichtestress entgehen. Die Warteschlangen sind bei uns nie so lang, da wir mehr Berge zur Auswahl haben als andere Destinationen. Jetzt gilt es, diesen Trumpf gekonnt zu spielen und den Wettbewerbsvorteil zu nutzen.

Wie schaffen wir den Weg aus der Krise?
Einerseits hoffen wir auf einen Impfstoff, andererseits müssen wir vielleicht lernen, mit Masken zu leben. Ich hoffe, dass ein Impfstoff die Lösung bringt. Die Vorstellung, auf immer und ewig mit Masken unterwegs zu sein, beisst sich mit der gesunden Davoser Luft. Hoffen wir gemeinsam, dass diese ungewisse Zeit bald vorbei ist.